Michail Ryklin (Moskau)

"Pluto, nicht Orpheus". Schalamow und das Biografische in der Lagerliteratur
23.11.2015

Ort: Bibliothek des Internationalen Kollegs Morphomata, Weyertal 59 (Rückgebäude, 3. Etage), 50937 Köln

Zeit: 18.00 Uhr

Kontakt: Larissa Förster

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“Pluto, nicht Orpheus”. Schalamow und das Biographische in der Lagerliteratur.

Zeit seines Lebens war der russische Schriftsteller Warlam Schalamow der festen Überzeugung, dass die schöne Literatur – primo logo der Roman – nach Kolyma, Auschwitz, Hiroshima ihr Existenzrecht eingebüßt habe und dringend durch radikal neue Prosa ersetzt werden müsse. Der Autor der „neuen Prosa“, so Schalamow, hört auf, „bloß Zuschauer, Tourist zu sein, er nimmt direkt teil am Drama des Lebens“. Der neue Schaffende solle nicht dem Orpheus, sondern dem Pluto ähnlich sein; dem „Pluto, der aus der Hölle entsteigt, und nicht [dem] Orpheus, der in die Hölle hinabsteigt“. Mit seinen zwanzig im Gulag verbrachen Jahren war der Autor der „Erzählungen aus Kolyma“ Verkörperung dessen was er für die notwendige Voraussetzung und das Fundament der neuen Literatur hielt: Wie Pluto hatte er, bevor er Literat werden sollte, die biographische Erfahrung der Lagerhölle gemacht. Er wurde nicht müde zu betonen, dass das Material mit eigener Haut erforscht werden solle, nicht lediglich mit dem eigenen Geist. Die überlieferte Literatur müsse „entkleidet“, entblößt werden; alles Vorgestellte, Nachgeahmte, alle „Nachäffereien“ solle man dabei gnadenlos wegfegen.

Primo Levi sagte in „Ist das ein Mensch?“ voraus: „Hätten die Lager länger bestanden, wäre eine neue, harte Sprache geboren worden; man braucht sie einfach, um erklären zu können, was das ist, sich den ganzen Tag abzuschinden in Wind und Frost [...].“  

Der Gulag dauerte zehnmal länger als Auschwitz, und das Neue im Verhalten des Menschen, der auf die Stufe eines Tieres reduziert wurde, war von Schalamow in den „Erzählungen aus Kolyma“ sehr genau, in zahlreichen Details, unter die Lupe genommen worden.

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