Friedrich Vollhardt (Germanistik, Literatur der Frühen Neuzeit, München)

Biographie als Rettung. Untersuchungen zur Gattung der ‚Vindicatio‛ in der Literatur der Frühen Neuzeit
15.01.2018

Ort: Bibliothek des Internationalen Kollegs Morphomata, Weyertal 59 (Rückgebäude, 3. Etage), 50937 Köln

Zeit: 18.00 Uhr

Kontakt: Karena Weduwen
 

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In den 1750er Jahren wählt G. E. Lessing die literarische Form der vindicatio, also der Schutzschrift, als bevorzugte Schreibweise. Korrigiert werden sollte das Urteil über historische Personen, die zu Unrecht verleumdet und verfolgt worden sind; eine Voraussetzung dafür war die genaue Rekonstruktion der Lebensgeschichte. Das ließ sich in Form eines Gerichtsprozesses inszenieren, mit Nennung der Anklagepunkte, Verteidigung respektive Widerlegung und schließlich Urteil. Es handelt sich um biografische Prüfungen der historischen Urteilsbildung, genauer: Vorurteilsbildung, die alle in die Zeit des Humanismus und der Reformation führen. Im Zentrum meines Vortrags, steht der Versuch, Lessings Abhandlung zu Girolamo Cardano (1501-1576) als biografische Rettung zu interpretieren, wobei auf eine merkwürdige Interferenz mit der Autobiografie des Renaissancephilosophen zu achten ist. Denn Cardano hatte mit seiner Vita propria − entstanden kurz vor seinem Tod 1575/76 − Anlass gegeben, ihn aufgrund dieser Aufzeichnungen als Modell einer all­gemeinen Verderbtheit der menschlichen Natur zu betrachten. Nach der Mitte des 18. Jahrhunderts stößt diese Selbstentblößung dann jedoch auf eine erstaunliche Resonanz: Die rücksichtslose Aufrichtigkeit des Mailänder Arztes und Naturwissenschaftlers erscheint nun als Signum einer neu entdeckten Form autobiografischen Schreibens, deren Radikalität diejenige Rousseaus vorwegnimmt.

Respondenz: Wilhelm Voßkamp (Köln)

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