Thomas Widlok hat seine Studienabschlüsse (MSc, PhD) in Anthropologie an der London School of Economics and Political Science (University of London) erlangt. Seit drei Jahrzehnten führt er regelmäßig ethnograpische Feldforschung im südlichen Afrika und in Australien durch und verstärkt auch in Europa. Er hat an den Universitäten London, Heidelberg, Durham, Nijmegen und Zürich gelehrt bevor er 2013 die Professur für Kulturanthropologie Afrikas an der Universität zu Köln übernahm. An den Max-Planck-Instituten in Nijmegen (Psycholinguistik) und Halle/Saale (ethnologische Forschung) war er über mehrere Jahre in interdisziplinäre Forscherteams eingebunden. In Köln ist er Sprecher des Kompetenzfeldes »Kulturen und Gesellschaften im Wandel« und arbeitet am Global South Studies Center mit. Er ist Gründungsmitglied der International Society for Hunter-Gatherer Research.
Das Ende des Lebenswandels in afrikanischen Trickstergeschichten und neuzeitlichen Schelmenromanen
Unter den vielfältigen Formen von Lebensbeschreibungen und -bildern stechen kulturvergleichend solche hervor, die nicht nur einen typischen oder vorbildlichen Lebenswandel beschreiben, sondern bei denen es um Personen geht, die Extrembeispiele des Wandels sind. Die sog. »Trickster« in afrikanischen Erzählungen und in europäischen Schelmenromanen, um die es in diesem Projekt geht, sind Meister der Verwandlung. Die Trickster in Khoisan-Erzählungen ändern fortwährend ihre Gestalt, vor allem indem sie sich zwischen Menschen- und Tiergestalt bewegen und so andere ›austricksen‹ zugleich die wichtigen Kulturgüter wie das Feuer oder Heiratsregeln unter ihre Kontrolle bringen. Schelme sind Erzählfiguren, die sich im frühen neuzeitlichen Romanen wie in Grimmelshausens Simplicissimus, aber auch in der aktuellen afrikanischen Diasporaliteratur finden. Sie bestechen dadurch, dass sie sich fortwährend und besser wandeln können als ihre Umgebung, von der sie herausgefordert und bedroht werden. Ihre Wandlungen eröffnen zugleich auch einen diskursiven Raum der Möglichkeiten für gesellschaftliche Veränderungen.
Mein Projekt wirft einen vergleichenden Blick auf diese »Verwandlungskünstler«. Es geht darum, neben den erwartbaren Unterschieden eines solchen weiten Vergleichs über Raum und Zeit vor allem die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Es geht dabei insbesondere um die Frage, wie Darstellungen der fortwährenden Verwandlung mit den Grenzen der Transformation umgehen. Wie stellt sich der Gestaltwandel und Lebenswandel dar, wenn er von seinem Ende her betrachtet wird, mit Blick auf Tod, gesellschaftlichen Zusammenbruch und zivilisatorischem Kollaps?