Dirk von Petersdorff, geb. 1966 in Kiel, Schriftsteller und Professor für Neuere deutsche Literatur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Fellow am Wissenschaftskolleg Berlin 2011/12. Writer-in-Residence an der Washington-University St. Louis 2013. Poetikdozentur der Universität Tübingen 2013 (gemeinsam mit Hans Magnus Enzensberger). Das literarische Werk wurde u.a. mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet.
Kollektivwesen Goethe. Gedichtsammlungen als autobiographische Konstruktionen
In diesem Vorhaben möchte ich die von Goethe selbst erstellten Sammlungen seiner Gedichte untersuchen. Sie werden als autobiographische Konstruktionen verstanden, denn hier werden Gedichte, die an unterschiedliche lebensgeschichtliche Kontexte gebunden sind, in eine Ordnung gebracht. Die Komposition einer Gedichtsammlung nötigt dazu, ein »Summa Summarum« (Goethe) des Lebens zu ziehen. Dabei treten erhebliche Widersprüche auf. Goethe hat sich selbst als intern pluralisiert beschrieben, als »Kollektivwesen« bezeichnet, in dem verschiedene Stimmen versammelt sind. Die in seinen Sammlungen inszenierte Spannung von Kohärenz einer Person und Heterogenität ihrer Positionen möchte ich untersuchen: a) im Blick auf die Struktur der Gedichtsammlungen (Auswahlentscheidungen, Ensemblebildung einschließlich Ensembletitel, Reihenfolge) sowie auf die Paratexte (selbstkommentierende Gedichte und Motti); b) im Blick auf systematisch zusammengehörige Gedichte, nämlich auf die in den Sammlungen entworfenen Liebeskonzepte sowie auf die Auseinandersetzung mit der Religion.