Aus der personen-, institutionen- und praxishistorisch ausgerichteten Wissenschafts- und Fachgeschichte resultieren Vergangenheitskonzepte, die biografisches Wissen über die involvierten Akteure und Gruppen implizieren, aktualisieren und problematisieren. Der regelmäßig vollzogenen Integration biografischer Fakten als heuristisches Werkzeug oder Anschauungsmaterial historischer Tatbestände steht eine verbreitete epistemologische Skepsis gegenüber, die den Erkenntniswert einer expliziten Konzentration auf persönliche Zusammenhänge negiert. Stattdessen werden ‚Paradigmen‘, Theorien, institutionelle Strukturen, prominente Streitkonstellationen, aber auch Praktiken und Materialitäten als historische Größen profiliert und ins Zentrum der Untersuchungen gerückt.
Im Rahmen dieses Workshops werden Forschungsprojekte zur Geschichte der Geisteswissenschaften vorgestellt und diskutiert, die von dem Interesse an Einzel- und Teilpraktiken (Edieren, Exzerpieren, Notieren, Kooperieren, Lehren) bis hin zu wissenschaftshistorischen Zugriffen entlang individueller oder kollektiver Forscher(auto-)biografien reichen. Gefragt wird dabei, wo genau die Grenze zwischen persönlichem und wissenschaftlichem Lebensvollzug, privaten und beruflichen Praxisformen verläuft: Welcher Sphäre sollten idiosynkratrische Schreibweisen, Praktiken des Lesens, Exzerpierens und Notierens, Publikationspräferenzen oder akademische Werdegänge zugeschlagen werden? Wie verorten sich praxishistorische wie biografische Ansätze damit innerhalb der Theorien wissenschaftlicher Autorschaft?